Elf Jahre ist es her, als der damalige UNO-Generalsekretär Ban-Ki Moon das Jahr 2012 zum Internationalen Jahr der Genossenschaften ausrief und damit auf die weltweite Bedeutung dieses Wirtschaftsmodells hinwies. Zurecht, denn Genossenschaften wirken lokal und regional, wirtschaften aus eigener Kraft und sind sind unabhängig und nicht auf Staatszuwendungen angewiesen. Die Genossenschaft – nach wie vor ein Modell für die Zukunft? Und was ist eigentlich der Kern dieser Wirtschaftsform?
Der Kern einer Genossenschaft liegt in der Idee der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit und des demokratischen Mitbestimmungsrechts ihrer Mitglieder. Eine Genossenschaft ist eine Art Wirtschafts- oder Unternehmensorganisation, bei der Menschen mit ähnlichen Interessen oder Bedürfnissen zusammenkommen, um gemeinsam wirtschaftliche Ziele zu verfolgen, Dienstleistungen zu erbringen oder Waren zu produzieren und zu vertreiben. Genossenschaften sind darauf ausgerichtet, die individuellen und kollektiven Bedürfnisse ihrer Mitglieder zu erfüllen, während sie gleichzeitig demokratische Mitbestimmung und wirtschaftliche Vorteile fördern.
Beispiel für eine Genossenschaft
„Viele Unternehmer, ein Unternehmen“ – so lautete mal ein Werbeslogan der Edeka-Zentrale in Hamburg. Edeka gibt es seit 1907. Damals schlossen sich mehrere Händler zu einer Genossenschaft zusammen, um günstigere Konditionen bei den Lieferanten auszuhandeln. Bis heute sind noch acht weitere Genossenschaften hinzugekommen, in denen 4500 Kaufleute organisiert sind. Ein Einzelmodell? Nein – im Gegenteil. 7000 Genossenschaften gab es 2022 in Deutschland. Sie sind eine treibende Wirtschaftskraft und gerade auf dem Energiesektor ein Zukunftsmodell.
Wie gründet man eine Genossenschaft?
Um eine Genossenschaft zu gründen, müssen sich mindestens drei Mitglieder mit dem Zweck einer genossenschaftlichen Förderung zusammenfinden (nach oben gibt es keine Grenze). Die Genossenschaft braucht einen Vorstand, einen Aufsichtsrat und eine Generalversammlung um handlungsfähig zu sein. Ein vorgeschriebenes Mindest-Stammkapital, wie bei einer GmbH gibt es bei einer Gründung, die sich auf Deutschland beschränkt, nicht. In der Regel benötigt die Genossenschaft aber ein gewisses Startkapital, um ihre Aktivitäten zu finanzieren. Dieses Kapital kann durch die Beiträge der Gründungsmitglieder oder durch andere Finanzierungsmöglichkeiten aufgebracht werden. Um die Rechtsfähigkeit zu erlangen, muss die Genossenschaft ins so genannte Genossenschaftsregister eingetragen werden.
Was, wenn ich selbst Genossenschaftsmitglied werden möchte?
Willst Du selbst Genossenschaftsmitglied werden, führt der Weg entweder über die Gründung oder Du gibst eine schriftliche Beitrittserklärung ab. Jede*r, der/die in Berlin Mitglied der LPG (Bio-Markt) ist, kennt dieses Prozedere.
Das klingt erst einmal alles nach einem simplen Ablauf und doch unterliegen auch Genossenschaften gewissen Kontrollen. So müssen sie einem Prüfungsverband angehören, der bereits vor Gründung und dann regelmäßig prüft, ob die Genossenschaft wirtschaftlich arbeitet und die Belange der Mitglieder unterstützt.
Warum sind Genossenschaften so besonders?
Die Genossenschaft ist eine Rechtsform, die sich gerade in wirtschaftlich unruhigen Zeiten lohnt und bewährt. Sie stärkt regionale Wirtschaftskreisläufe und das Partizipationsprinzip. So hat zum Beispiel die Dresdner Konsum Genossenschaft als eines der wenigen traditionsreichen Dresdner Unternehmen die Wende überlebt und grundsätzlich lässt sich sagen, dass Wirtschaftsflauten vielen Genossenschaften weniger zu schaffen machen, als anderen Unternehmen. Welche Wirtschaftskraft hinter diesem Modell steht, dokumentierte zum Auftakt des Jahres der Genossenschaft der Vorstandsvorsitzende des DGRV (Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband), Dr. Eckhard Ott:
„Die genossenschaftliche Gruppe vereint mit ihren 20 Millionen Mitgliedern fast ein Viertel der deutschen Bevölkerung. Mehr als 800.000 Menschen arbeiten in der Genossenschaftsorganisation. (…) Genossenschaften tragen nicht nur zur Lösung wirtschaftlicher Herausforderungen bei, sie sind auch wesentliche Faktoren in der Bewältigung gesellschaftlicher Aufgaben: Neue Genossenschaften ermöglichen die dezentrale Verbreitung erneuerbarer Energien, sie tragen zu einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung bei, übernehmen kommunale Aufgaben und organisieren die Nahversorgung in ländlichen Regionen. Auch viele Kleinunternehmer und Freiberufler können in Genossenschaften mehr erreichen.“
Fazit: Insofern lohnt es sich, vor einer Gründung zu prüfen, ob die eigene Gründungsidee vielleicht das Potential für eine Genossenschaftsgründung hat. Oder andersherum gedacht – ob die Gründung vielleicht erst durch die Genossenschaft eine Zukunft hat. Manchmal bieten auch Unternehmensverkäufe die Chance, das Unternehmen in eine Genossenschaft zu überführen und manchmal rettet so eine Gründung auch die unternehmerische Freiheit von Menschen. So geschehen bei der Fotoagentur laif, die durch die Überführung in eine Genossenschaft die Fotograf*innen davor bewahrte, in einem Massenunternehmen unterzugehen.
Weitere Informationen zu diesem Thema findest Du hier: „Ein Gewinn für alle“