Teures Netz Arbeitslosenversicherung

Wer ein Wagnis eingeht, der sichert sich verständlicherweise gern ab, denn bei manchen Wagnissen ist es schon möglich, ins Bodenlose zu fallen, sollte das Sicherheitsnetz fehlen. Selbstständigkeit ist ein Wagnis, vor allem dann, wenn man viel Geld investiert. Insofern ist es gut, dass es Möglichkeiten gibt, das Risiko wenigstens ein bisschen zu minimieren. Wenn allerdings das Sicherheitsnetz so teuer ist, dass es die monatlichen Kosten in die Höhe treibt, sind viele junge Gründer gezwungen ohne Netz auf dem Seil zu tanzen. Darum fordert der Verband der Gründer und Selbstständigen in Deutschland die Rücknahme der Vervierfachung des Beitragssatzes, sowie eine Beitragsgerechtigkeit.

Seit 2006 können sich Gründer freiwillig gegen Arbeitslosigkeit versichern. Mehr als 200.000 Selbständige nutzen diese Möglichkeit aktuell. Doch nur wenige halten die Zahlung der Beiträge dauerhaft durch: Eine gerade erschienene Studie des Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kam zum Ergebnis, dass 44 Prozent der freiwillig Versicherten im Untersuchungszeitraum die Zahlung der Beiträge einstellte und damit von der Versicherung ausgeschlossen wurden. Der wichtigste Grund für diese regelrechte Flucht waren die als zu hoch empfundenen Beiträge. 44 Prozent – das ist fast jeder Zweite Gründer, der nun das Risiko eingeht, bei einer Insolvenz oder beim Scheitern seiner Gründung ohne Absicherung dazustehen.

Die Beiträge für die freiwillige Arbeitslosenversicherung waren in zwei Stufen zum 1.1.2011 und 1.1.2012 insgesamt vervierfacht worden. Grund waren u.a. Bedenken, es könne zu einem Mißbrauch der Versicherung durch Gründer kommen, die sich nur für kurze Zeit selbständig machen, um dann Leistungen zu beziehen. Natürlich ist so etwas denkbar. So wie es denkbar war, dass das Modell der ICH-AG von einigen missbraucht wurde. Aber sind wir doch mal ehrlich, wie viel Missbrauch gibt es denn generell beim Thema Leistungen von der Arbeitsagentur? Warum stehen immer die Gründer im Visier? Eine wirklich kleine Gruppe gemessen an der Masse der Arbeitslosen. Die Frage drängt sich in letzter Zeit für mich wirklich auf.

Jedenfalls kommt die Studie des IAB zu dem Ergebnis, dass solche Befürchtungen grundlos sind – ebenso wie bei ähnlichen Angeboten etwa in Dänemark: „Auch hierzulande ergeben sich bislang keine nennenswerten Anhaltspunkte für Mitnahme.“

Im Gegenteil scheinen die Selbständigen Arbeitslosengeld nur sehr sparsam in Anspruch zu nehmen und im Fall einer Unternehmensaufgabe schnell eine Anstellung aufzunehmen: „Über den ganzen Beobachtungszeitraum hinweg gaben insgesamt nur 4 Prozent der Befragten an, jemals Leistungen aus der freiwilligen Arbeitslosenversicherung bezogen zu haben. (…) Außerdem ist die Dauer des Leistungsbezugs meistens relativ kurz.“  In zwei Dritteln der Leistungsfälle dauerte die Arbeitslosigkeit nicht länger als sechs Monate. Nur jeder 500. Befragte war länger als 12 Monate arbeitslos.

Kritisch sehen die Forscher dagegen eine andere Besonderheit der freiwilligen Versicherung: Selbständige mit formal niedrigerem Bildungsabschluss zahlen gleiche Beiträge, erhalten aber im Leistungsfall bis zu 46 Prozent weniger Arbeitslosengeld. Gerecht?

Darum fordert der  Verband der Gründer und Selbständigen (VGSD) e.V., dass die pauschale Vervierfachung der Beiträge rückgängig gemacht wird. Die Massenflucht aus der Versicherung zeigt, dass die Beiträge in keinem angemessenen Verhältnis zur dadurch erreichten Absicherung stehen. Außerdem fordert er, dass die Beiträge künftig entsprechend der Leistungen gestaffelt werden, auf die der Selbständige einen Anspruch erwirbt. Schließlich kann es nicht sein, dass ohnehin durch eine fehlende Ausbildung benachteiligte Gründer halb so viel Arbeitslosengeld bekommen bei gleicher Beitragshöhe. Das ist eine klare Verletzung des Äquivalenzprinzips der Sozialversicherung – wie auch die Forscher des IAB bestätigen und im Grunde – um mal bei der Analogie zu bleiben – ein Sicherheitsnetz mit Löchern.

Bleibt zu hoffen, dass die Arbeit des Verbandes Früchte trägt und sich die Bedingungen für Gründer in Deutschland wieder verbessern. Wenn Sie dazu beitragen möchten, dann können Sie das direkt auf der Verbandshomepage unter: www.vgsd.de tun.