Selbstständig in Deutschland

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Selbstständig zu sein ist mehr und mehr Horror. Grenzwertige Arbeitsbelastung, minimale Verdienstmargen, prekäre Lebensverhältnisse, bürokratische und gesetzliche Hürden – egal ob Schreiner, Influencerin oder Lektor – Deutschland tut sich schwer mit seinen 4,2 Millionen Selbstständigen, Freiberuflern und Mittelständlern. Ablesen lässt sich das daran, dass der Wunsch nach beruflicher Selbständigkeit immer seltener auf der Agenda steht. So will halt keiner mehr arbeiten.

Da hat es auch wenig geholfem, dass die Bundesregierung am 27. Juli vergangenen Jahres für Gründer*innen ihre Start-up-Strategie verabschiedet hat. Ein Paket mit 127 Maßnahmen, die in der laufenden Legislaturperiode umgesetzt werden sollten. Man wollte für Wachstumskapital sorgen, die Anwerbung von Talenten aus dem Ausland vereinfachen und Ausgründungen an Universitäten zu erleichtern.

In diesem Strategie-Papier ist unter anderem auch zu lesen, wie hoch die Relevanz selbstständiger Arbeit für die Gesellschaft ist. Leider muss man das mittlerweile als Floskel bezeichnen, denn wenn dem wirklich so wäre, stellt sich die Frage, warum Gründer*innen es in Deutschland so schwer haben. Warum die Hürden höher gelegt, die Steine immer wuchtiger werden. Müsste man nicht alles tun, um die Eintrittsbedingungen zu erleichtern? Ich schreibe diesen Blog nun seit über zehn Jahren und langsam geht mir der Optimismus aus. Stattdessen etabliert sich mehr und mehr die Einsicht, dass Deutschland ein Angestellten-Land ist und bleibt. Dass es, wie ehemals die DDR, Selbstständige zwar duldet, aber herzlich wenig unterstützt. Strategie-Papier hin oder her: Viele Selbstständige leben prekär, könnten ohne die Unterstützung von Lebenspartner*innen nicht „überleben“.

Selbst und ständig – diese Umschreibung klingt nach einer lustigen Metapher, ist allerdings für viele bittere Realität. Krankenkasse, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung und und und – die Liste der Kosten, die Selbstständige selbst zu tragen haben, ist lang. Das killt die meisten, die sich auf den Weg machen, bereits innerhalb der ersten fünf Jahre. 2023 gab es zwar statistisch gesehen, wieder mehr Gründungen, aber da auf der anderen Seite Investor*innen zögern, Zinsen steigen und die globale Lage unsicherer ist, ist abzuwarten, ob das nun eine Trendwende bedeutet.

Darüber hinaus vergisst die Regierung einmal mehr die Solo-Selbstständigen. Zwar gibt es für Berlin ein spezielles Programm für Gründerinnen, aber auch das ist im Grunde ein Tropfen auf den heißen Stein. Was es bräuchte, ist nicht weniger als ein Ruck in der Geisteshaltung. Denn, wie Sascha Lobo schon schrieb:

„Deutschland ist das angestellteste Land der Welt, jedenfalls, was die Geisteshaltung angeht. Zur regelrechten Verachtung der Selbstständigen durch Teile der Politik und der Verwaltung kommen die verschiedenen politischen Ablehnungserzählungen. Konservative sehen oft nur in erfolgreichen Selbstständigen wertvolle Mitglieder der Gesellschaft, Linke bringen oft genug Verächtlichkeit und Misstrauen gegen unternehmerisches Handeln mit.“

Quelle: Spiegel online

Natürlich ist es leicht, Probleme zu benennen, schwerer ist es, sie zu lösen. Wir, die Andersberater*innen haben auch keine Standardlösung in der Tasche, aber wir stehen denen mit Rat und Tat zur Seite, die sich trotz aller Hindernisse auf den Weg machen. Wir glauben daran, dass die Selbstständigkeit nicht nur eine Alternative zum Angestellten-Dasein ist, sondern dass in ihr die Chance für eine neue Art des Wirtschaftens liegt. Viele junge Unternehmer*innen sind von Werten und Idealen geleitet, die jenseits des Turbo-Kapitalismus liegen. Was sie antreibt, sind Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Werte. Das unterstützen wir gern.

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