Gestern ist unsere Nationalelf im Halbfinale gegen Italien gescheitert. Schnell wurde ein Schuldiger gefunden und nein, es sind nicht die starken Italiener, es sind auch nicht die Spieler, sondern es ist der Trainer Joachim Löw, der gescheitert ist und heute als großer Verlierer durch die Medien gezogen wird. Der sieht das allerdings ganz anders und liefert mir damit dankenswerterweise ein Paradebeispiel dafür, wie man mit Würde scheitert. Denn, wenn schon, dann doch bitte richtig!
Willy Meurer, ein Kaufmann und Publizist hat mal den klugen Satz gesagt: „Wer Erfolg sucht, muss auch auf das Scheitern vorbereitet sein.“ Ob nun auf dem Weg nach oben, mittendrin oder auf dem Gipfel – irgendwann wird immer ein Punkt erreicht sein, an dem wir fallen. Das muss nicht die große Tragödie sein, auch kleine Stolpersteine werden von uns oft als Scheitern betrachtet. Dabei gehören sie dazu und es ist auch gar nicht schlimm, mal auf die Nase zu fallen, denn wer stets das große Ganze vor Augen hat, nimmt das Scheitern als Wegbegleiter an. So wie Löw, der nach dem EM-Aus sagt: „Es gibt keinen Grund, etwas anzuzweifeln. Wir hatten die jüngste Mannschaft, wir haben trotz allem ein starkes Turnier gespielt“ oder Christian Maier, Coach und Buchautor, der in seinem Buch „Spielraum für Wesentliches“ sogar von der Erotik des Scheiterns spricht.
Denn erinnern wir uns, stellen wir fest, dass die Lust am Spiel zwischen den Polen Erfolg und Scheitern ein wesentliches Merkmal unserer Entwicklung ist. Beobachten Sie ein Kind, das Laufen lernt. Unermüdlich wird es sich wieder aufrichten, wieder fallen, aufrichten und so weiter. Heult es dabei? Grähmt es sich? Wird es deppressiv, launisch und steckt den Kopf in den Sand? Nein. Es schaut stolz in die Runde, lacht und steht wieder auf.
Unternehmen oder Menschen scheitern aus unterschiedlichsten Gründen. Das Scheitern an sich ist dabei selten das Problem. Vielmehr sind es der Spott, der Hohn, die Besserwisserei von anderen, die das Scheitern erst zu einem gefühlten Misserfolg machen. Doch nicht das Scheitern ist ein Drama, sondern erst das Aufgeben.
Leider haben wir in Deutschland das Scheitern nach wie vor zu einem Stigma erhoben. Wie ein Tattoo klebt es im Gesicht. Sicher auch ein Grund, warum es in Deutschland, gemessen an Nationen, bei denen Scheitern zum Aufstieg gehört, nach wie vor relativ wenig Gründungswillige gibt. Und die, die den Schritt wagen, haben es oft doppelt schwer, weil sie sich zusätzlich zu den eigenen Ängsten auch noch mit denen ihrer Mitmenschen belastet fühlen. So wundert es nicht, dass die „Angst vorm Scheitern“ der Hauptgrund ist, warum so viele gute Ideen, so gute Produkte nie den Weg in die Realität finden.
Darum kann man es nicht oft genug wiederholen. Versuch und Irrtum sind die Basis des Fortschritts, jeder Veränderung, jeder Neuerung. Ich finde es großartig, dass Löw sich nicht in die nationale Deppression ziehen lässt, sondern in die Hände klatscht und sein Team motiviert. Hätten das die Fans gestern im Stadion nach dem ersten Tor von Italien getan, statt zu weinen oder die Augen zu rollen, wäre das Spiel vielleicht anders ausgegangen. Und auch der Ruf nach einer Konsequenz, der heute schon wieder laut wird, ist nicht gerade zielführend. Denn Konsequenzen sind selten die Lösung des Problems. Die Frage nach dem Warum bringt auch nicht weiter, sondern einzig die Frage nach dem Wie.
Sie ist es, die uns weiterlaufen lässt, weil sie aktiv nach der Lösung sucht. Wie das Kind, das aufsteht und vielleicht erkannt hat, dass es besser ist, sich erst einmal festzuhalten und kleine Schritte zu machen. Oder Löw, der sagt: „Heute haben wir es versäumt, den letzten Schritt zu machen. Aber es wird andere Möglichkeiten geben.“
Richtig, denn Sieger ist der, der einmal mehr aufsteht, als er hinfällt!