Scheitern – aber richtig

Scheitern ist allgegenwärtig. Die Politik scheitert derzeit an Herausforderungen, die Corona mit sich bringt. Menschen scheitern an der Aufgabe, sich solidarisch zu verhalten und Unternehmen scheitern, weil sie für eine 4. Welle einfach keine Ressourcen mehr haben. Natürlich kann das Scheitern von Unternehmen noch andere Gründe haben – auch vor Corona sind Gründungsträume zerplatzt, gab es zu viel Gegenwind oder haben sich Randbedingungen derart geändert, dass es kein Vorankommen mehr gab. Wer scheitert, hat oft das Gefühl, versagt zu haben. Stimmt nicht, sagen wir. Wer scheitert, hat vorher etwas gewagt und das unterscheidet ihn von vielen anderen Menschen.

Willy Meurer, ein Kaufmann und Publizist hat mal den klugen Satz gesagt: „Wer Erfolg sucht, muss auch auf das Scheitern vorbereitet sein“. Ob nun auf dem Weg nach oben, mittendrin oder auf dem Gipfel – irgendwann wird immer ein Punkt erreicht sein, an dem es um Grundentscheidungen geht. Diese Grundentscheidungen sind wie Kreuzungen. Wir können den einen, aber auch den anderen Weg wählen und nehmen mit jeder dieser Entscheidungen in Kauf, dass der Weg in die Sackgasse führt, die andere als „Scheitern“ betrachten.

Warum scheitern wir?

Unternehmen oder Menschen scheitern aus unterschiedlichsten Gründen. Das Scheitern an sich ist dabei selten das Problem. Vielmehr sind es die eigenen oder fremden Erwartungen, der Spott, der Hohn, die Besserwisserei von anderen, die das Scheitern erst zu einem gefühlten Misserfolg machen. Doch Achtung: Nicht das Scheitern an sich ist das Drama, sondern erst das Aufgeben. Leider haben wir in Deutschland das Scheitern zu einem Stigma erhoben. Wie ein Tattoo klebt es im Gesicht. Sicher auch ein Grund, warum es in Deutschland, gemessen an jenen Ländern, in denen zu scheitern kein Drama ist, sondern schlicht zum Aufstieg gehört, nach wie vor relativ wenig Gründungswillige gibt. Und die, die den Schritt wagen, haben es oft doppelt schwer, weil sie sich zusätzlich zu den eigenen Ängsten auch noch mit denen ihrer Mitmenschen belastet fühlen. So wundert es nicht, dass die „Angst vorm Scheitern“ der Hauptgrund ist, warum so viele gute Ideen, so gute Produkte nie den Weg in die Realität finden.

Aufrichten, Krone richten, weitergehen

Darum kann man es nicht oft genug wiederholen: Versuch und Irrtum sind die Basis des Fortschritts, der Nährstoff jeder Veränderung, jeder Neuerung. Im Nachgang in der Frage nach dem „Warum“ zu versinken, ist nur begrenzt hilfreich. Natürlich müssen Fehler erkannt und aufgearbeitet werden. Aber ebenso wichtig ist die Frage danach, wie es nun weitergeht und wie man die Krise bewältigt. Während „Warum“ eher retrospektiv und – bleibt man darin hängen – passiv bleibt, ist die Frage nach dem „Wie“ aktiv, weil man damit nach Lösungen sucht. Wie komme ich da raus? Wie geht es weiter? Wie könnte der nächste Schritt aussehen?

Laufen lernen

Dabei ist es hilfreich, sich ein kleines Kind vorzustellen, das Laufen lernt. Es bleibt, nachdem es beim ersten oder zweiten Versuch gescheitert ist, nicht sitzen und überlegt, warum das jetzt so gekommen ist. Stattdessen steht es auf und startet einen neuen Versuch. Der ehemalige Bundestrainer Jogi Löw hat das nach einer Niederlage der Nationalmannschaft mal so formuliert: „Heute haben wir es versäumt, den letzten Schritt zu machen. Aber es wird andere Möglichkeiten geben.“
Richtig, denn Sieger ist der, der einmal mehr aufsteht, als er hinfällt!

Scheitern ist keine Tragödie, sondern der Beginn von etwas Neuem

Scheitern ist niemals Versagen. Scheitern ist eine Möglichkeit von vielen. Scheitern ist Erfahrung. Wer stets das große Ganze vor Augen hat, wird das Scheitern als Wegbegleiter annehmen. Oder, um nochmal Löw zu zitieren, der nach dem EM-Aus 2012 sagte: „Es gibt keinen Grund, etwas anzuzweifeln. Wir hatten die jüngste Mannschaft, wir haben trotz allem ein starkes Turnier gespielt“. Zwei Jahre später traf Deutschland im Endspiel der WM gegen Argentinien und wurde Fußball-Weltmeister.