Erlebnis in der Berliner S-Bahn
Gestern hatte ich nach langer Zeit einmal wieder das Vergnügen, mit der Berliner S-Bahn zu fahren. Mit ziemlicher Begeisterung stieg ich am Flughafen BER in die S9 Richtung Treptower Park. Am Bahngleis gab es direkt die Information, dass aufgrund eines Vorfalls mit Personenschaden die Strecke zwischen Warschauer Straße und Ostbahnhof vorübergehend gesperrt sei. Dies tat meiner guten Laune keinen Abbruch. Wie so oft hörte ich in der Bahn über Kopfhörer Musik.
Begegnung mit einem aggressiven Fahrgast
Ich bemerkte einen Fahrgast, der mit einer Bierflasche in der Hand aggressiv herumschrie. Leider konnte ich nicht hören, mit wem er eigentlich sprach und was er sagte. Interessant war das Verhalten der anderen Fahrgäste, die zum Teil verschämt auf den Boden schauten oder versuchten, den Blickkontakt zu meiden. Nachdem ich meine Musik vorsichtshalber abgeschaltet hatte, merkte ich, dass der Fahrgast mich wüst beschimpfte und versuchte zu provozieren. Ich war schockiert. Die Beleidigungen möchte ich an dieser Stelle nicht erwähnen, aber sie waren äußerst heftig.
Was sollte ich jetzt tun?
Direkt auf die Beleidigungen einzugehen, wäre vielleicht die erste Idee, die einem in den Kopf kommt. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass dies die Gewaltspirale nur nach oben schrauben würde. Die zweite Idee war, die Polizei zu rufen. Aber auch hier dachte ich, dass dies eventuell nur weiter den Konflikt anheizen und möglicherweise auch eine gewalttätige Reaktion provozieren würde.
Ich entschloss mich, den pöbelnden Fahrgast einfach zu ignorieren. Leider schien auch dies als weitere Provokation aufgefasst zu werden. Die Beschimpfungen wurden heftiger. Es schoss Adrenalin in meinen Körper. Mein Körper war im Kampfmodus, ob ich wollte oder nicht.
Ich entschloss mich, aus der Situation zu kommen, indem ich aufstand und ging. Mir wurden wüste Beschimpfungen hinterhergerufen. Zum Glück kam mir der pöbelnde Biertrinker nicht hinterher. Den Rest der Fahrt dachte ich darüber nach, ob meine Entscheidung die richtige gewesen war. Ich merkte, dass ich eine gewisse Wut gegenüber dieser Person in mir trug.
Ich wusste nicht, was dieser Mensch erlebt haben musste. Da er mich aber offensichtlich ohne Grund aggressiv anging, musste etwas aus der Vergangenheit dafür gesorgt haben, dass dieser Mann in dem Moment so aggressiv war. Sofort setzte bei mir Mitleid ein. Das Mitleid ersetzte komplett meine Wut auf diese Person und die in mir aufsteigende eigene Aggression.
Hätte es eine andere Möglichkeit gegeben?
Ich fragte mich sogar, ob es nicht eine Möglichkeit gegeben hätte, mit sanfter Stimme den Pöbler zu fragen, ob ich etwas für ihn tun könne. Vielleicht hätte das die ganze Situation entspannt.
Es ist schwer zu beurteilen.
Fakt ist aber, dass ich durch das Verlassen der Situation zumindest ohne weiteren Ärger davon gekommen bin.
versuche den anderen Menschen zu verstehen
Was lerne ich daraus?
Meine Reaktion war die richtige.
Und das ist eigentlich noch viel entscheidender: Bevor man selbst auf die Provokation eingeht und damit aggressiv wird und das tut, was man eigentlich bekämpfen möchte, sollte man versuchen, den anderen Menschen zu verstehen. Warum ist er so? Selbst wenn ich das in diesem Fall nicht erfahren habe, hat es mir geholfen, Wut in Mitgefühl zu verwandeln. Dies half mir, die Situation relativ schnell abhaken zu können. In der Vergangenheit habe ich nach einer vergleichbaren Situation noch Tage über einen solchen Vorfall nachgedacht.
Was hat das Ganze mit den Andersberatern zu tun?
Sehr viel! Auch bei unserer Coaching-Arbeit ist es oft sehr hilfreich, wenn wir das ganze Vorhaben noch einmal von außen, aus einer anderen Perspektive betrachten. Natürlich kann man dies auch alleine versuchen. Allerdings ist hier die Hilfe von jemand anderem, der nicht direkt involviert ist, immer wertvoll.
Wir als Coaches helfen dabei, einen klaren Durchblick zu bekommen und verstehen uns selbst als Sparring-Partner. Unsere Aufgabe ist es, neue Blickwinkel zu eröffnen, Fragen zu stellen und dadurch zur Reflektion anzuregen. So können wir gemeinsam die bestmöglichen Lösungen finden.
Obwohl jeder in der Lage ist, seine eigene Situation zu analysieren, bietet die externe Perspektive eines Coaches zusätzliche Einsichten und Klarheit.