Ich faste schon seit einigen Jahren immer mal wieder – und jedes Mal stelle ich mich erneut der Herausforderung. Die ersten drei Tage sind hart, keine Frage. Der Körper protestiert, der Geist sucht Ablenkung, die Versuchung, doch einfach etwas zu essen, ist groß. Aber ich weiß auch: Die Überwindung lohnt sich. Jedes Mal. Denn nach diesen drei Tagen stellt sich eine besondere Form der Ruhe ein.
Heilfasten lehrt mich Bewusstheit.
Und dieses Mal war es eine besondere Herausforderung: Ich habe gefastet, während ich gearbeitet habe. Keine gemütliche Auszeit in einem Wellnesshotel, kein Rückzug aus dem Alltag – sondern mein ganz normales Arbeiten, nur eben ohne Essen. Das bedeutete: meine Energie gut einteilen, Pausen bewusst einplanen (und tatsächlich nehmen!) und darauf achten, wann mein Körper Ruhe braucht. Und, Überraschung: Der Alltag gibt durchaus Möglichkeiten für kurze Pausen – man muss sie sich nur nehmen. Aber genau das fällt schwer. Warum ist es so einfach, sich zwischen zwei Aufgaben noch schnell einen Snack zu gönnen, aber so schwierig, sich fünf Minuten für echte Erholung zu erlauben? Ich gebe zu, mir fällt es schwer.
Auch meine Gedanken waren nicht immer so klar und geordnet, wie ich es mir vielleicht gewünscht hätte. Anstatt in einer Art Zen-Zustand der völligen Präsenz zu schweben, war mein Kopf oft zwischen gestern und morgen unterwegs. Doch genau das war auch eine Erkenntnis: Fasten ist kein Wundermittel, das auf Knopfdruck alle Lebensfragen beantwortet. Aber es ist eine Einladung, genauer hinzuhören – auf den Körper und auf das, was wirklich wichtig ist.
Fast meditativen Erfahrung
Das beginnt bereits bei der Zubereitung der kargen Gemüsebrühen, die mich durch die Tage begleiten. Ganz bewusst schnipple ich das Gemüse, lasse es langsam auskochen, genieße den einfachen, puren Geschmack. Das bewusste Speisen – eines klaren Wässerchens, einer warmen Brühe – wird zu einer fast meditativen Erfahrung. Ich schmecke intensiver, nehme Aromen wahr, die mir im Alltag oft entgehen. Die Wertschätzung für Nahrung wächst enorm.
Und auch beruflich sehe ich Parallelen. Wie oft machen wir Dinge, die gar nicht mehr zu uns passen? Verharren in Strukturen, in Rollen, aus denen wir vielleicht längst herausgewachsen sind? Gerade in der Gründungsberatung und im Karrierecoaching begegnen meinen Kolleg/innen Menschen, die merken, dass sie etwas verändern möchten – aber oft noch nicht genau wissen, was oder wie. Eine bewusste Auszeit, ein Perspektivwechsel kann helfen, den Blick zu schärfen: Was ist eigentlich richtig für mich? Wo möchte ich hin?
Ich kann nur empfehlen, sich auf dieses Experiment einzulassen – und dabei realistisch zu bleiben. Kein Fasten in Perfektion, kein überhöhter Anspruch an absolute Erleuchtung. Sondern einfach eine Gelegenheit, neue Erfahrungen zu machen, sich selbst besser kennenzulernen und bewusster mit sich umzugehen. (Wer nicht fasten will, kann es zumindest mit Coaching versuchen ;-))
nicht jeder Wandel bedeutet Verzicht
Und ja, so wie ich nach einer Woche Fasten voller Vorfreude mein erstes Eis esse – weil das für mich genauso zum Frühling gehört wie das Loslassen von Altem – so dürfen wir auch in der beruflichen Neuorientierung nicht vergessen, die schönen Dinge zu bewahren. Nicht alles muss radikal neu sein, nicht jeder Wandel bedeutet Verzicht. Manchmal bedeutet er einfach nur, Platz zu schaffen für das, was wirklich zu einem passt – und das dann umso mehr zu genießen.
Übrigens: Diese eine Kugel Eis nach dem Fasten? Sie schmeckt zehnmal so intensiv. Vielleicht sollten wir auch im Alltag öfter mal eine Pause einlegen – einfach, damit das Leben wieder besser schmeckt.
Eure Julia