Martin Günther hat zwar noch kein Unternehmen gegründet, dafür hat er die Herausforderung angenommen, sich ein berufliches Standbein aufzubauen, das wachsen darf und irgendwann zu einem Unternehmen wird. Begonnen hat das Ganze mit einer Buchidee zum Thema „Geldwissen für Jugendliche“. Das Buch heißt „Captain Kohle legt los“ und führt Jugendliche sicher durch die Stürme der eigenen Finanzen. Wir haben Martin Günther ein paar Wochen nach seinen Beratungsstunden in der .garage berlin getroffen und ihn zum aktuellen Stand und zu seiner Motivation befragt.
Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, dass Buch zu schreiben bzw. sich überhaupt mit diesem Thema auseinanderzusetzen?
Ich habe mich eigentlich schon seit langer Zeit gewundert, dass man in der Schule oder generell in der Jugend über alle möglichen Themen aufgeklärt oder ausgebildet wird, dass aber das Thema „Finanzielle Grundausbildung“ oder finanzielle Orientierung eigentlich überhaupt keine Rolle spielt. So auch bei mir – vor Beginn meiner beruflichen Laufbahn, also vor der Banklehre, hatte ich gar keine Ahnung von dem Thema und das, obwohl ich in der Schule Wirtschaftswissenschaft gewählt hatte. Darin drehte es sich aber eben alles um sehr theoretische Dinge, nicht um das Praktische – also darum, wie man mit Geld umgeht. Mir ist immer wieder aufgefallen, dass vielen Leuten die Grundkenntnisse fehlen und sie deshalb auch aus ihren Finanzen ein ziemliches Durcheinander machen. Also habe ich mich gefragt, warum macht denn niemand was? Und die Antwort war: „Fein, vielleicht bin ich ja derjenige, der da was machen soll.
Der Einstieg war das Buch? Oder haben Sie vorher schon Vorträge gehalten?
Der Einstieg war tatsächlich das Buch, wobei es eigentlich eher Teil der Aufbereitung dieser Materie für mich selbst und für die Zielgruppe war. Wenn man sich überlegt: „Ok, was muss man in einer bestimmten Altersgruppe sagen, wie strukturiert man das?“, dann kann man eigentlich auch gleich ein Buch darüber schreiben, dachte ich. Das war gewissermaßen eine Art „Abfallprodukt“, aber eben auch eine Ausdrucksform dieser Arbeit. Das Buch kam parallel zu dem Blog, mit dem ich mich ja dann auch an eine breitere Zielgruppe wende.
Was glauben Sie denn, was den Jugendlichen heute fehlt? Man denkt doch, sie lernen in der Schule alles.
Einerseits simple Grundlagen und Begriffe. Die Unterscheidung von netto und brutto hat ja zeitweise Parlamentarier bis in die 50-er Jahre ihres Lebens noch nicht so richtig erreicht. Dann das Urteilsvermögen über Mengen und Größen, Einnahmen und Ausgaben und wie sich beide über einen längeren Zeitraum zu Vermögen oder eben Verschuldung entwickeln. Das sind ganz elementare Dinge. Technisch gesehen, kommt da auch noch einiges dazu, wie zum Beispiel der Umgang mit Geldanlagen, der Umgang mit Zahlungsverkehrsmitteln etc. Wir Deutschen haben eine sehr emotionale Bindung an unser Sparbuch und haben immer noch große Angst vor Aktien. Das ist ein Thema, das unter anderem auch dazu führt, dass Deutsche zwar im internationalen Vergleich ganz gute Einkommen haben, aber von ihren Vermögen her – also dem, was der Durchschnittsbürger zu Verfügung hat – inzwischen weit hinter anderen mitteleuropäischen Ländern hinterherhinken. Und da geht es nicht mal um das Thema Verschuldung, das Deutschland ja auch 10 Prozent (ziemlich stabil) aller Erwachsenen greift, sondern auch, dass die Mitte der Gesellschaft nicht gut mit ihrem Geld zurechtkommt. Bildung spielt auch hier eine wichtige Rolle. Aber wenn man sich jetzt mal 100 repräsentativ ausgewählte Deutsche nimmt und dann mal schaut, wie ist deren Geldvermögen, dann kommt bei internationalen Vergleichen ungefähr die Hälfte von dem raus, was in den Niederlanden herauskommt und dann sind die Deutschen interessanterweise auch nur ganz kurz vor den Griechen. Und das, obwohl Einkommensstatistiken und Staatsverschuldung etc. völlig unterschiedliche aussehen. Die Deutschen sind in der Vermögensbildung einfach nicht gut. Dazu geht es um das Ausgaben-Verhalten und um die Anlage von freien Geldern. Wenn man Geld irgendwo „geparkt“ hat, können viele der Zins- und Zinseszinseneffekte gar nicht greifen.
Geht es in Ihrem Buch darum, die Jugendlichen für Geld zu begeistern?
Ich gehe damit um, indem ich relativ klar mache, dass Geld und persönliche Finanzen auch etwas mit Freiheit zu tun haben. Freiheit im Sinne, sich auch von monatlichen Geldeingängen unabhängig zu machen und darin, das Geld eben auch durchaus Spaß machen kann. Ich lasse das aber offen. Einer der Erzähler im Buch sagt zum Beispiel: „Wenn Euch das interessiert, könnt Ihr Euch Aktien selber auszusuchen. Schaut, ob Euch das Spaß macht. Wenn Ihr das nicht möchtet, gibt es eben auch andere Investitionsmöglichkeiten.“ Man muss den Lesern vermitteln, dass es Menschen gibt, die an Geld Spaß haben – das sind eigentlich die meisten. Und alle anderen müssen wissen, dass es bestimmte Regeln gibt, die man einhalten sollte und dass es Produkte gibt, die man auch wählen kann, wenn man sich nicht damit beschäftigen möchte. Aber grundsätzlich geht es darum, die Menschen in die richtige Richtung zu leiten. Ich denke, das ist besser, als mit so einem Buch auf ein paar Seiten Begeisterung zu schüren. Das wäre wohl eher Eltern oder Lehrerauftrag. Ich will mehr informieren – also nach dem Motto: Es gibt das und das Thema und auf diesen oder jenen Webseiten findet Ihr Daten dazu, auf denen Ihr Euch das anschauen könnt. Ihr könnt auch mal ein Spieldepot mit virtuellem Geld einrichten und gucken, wie Ihr Euch da anstellt und wenn Euch das dann interessiert, dann kann man in die Materie reingehen. Und wenn nicht, dann könnt Ihr alternativ dazu Euer Geld in Fonds anlegen und dabei gibt es eben bestimmte Dinge zu beachten.“
Wie kommen Sie denn an Ihre Zielgruppe heran?
Das ist im Moment wirklich eine Herausforderung. Einer der wesentlichen Wege wird aber zukünftig sein, über die Schulen zu gehen. Ich erarbeite momentan Schulkonzepte mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten für die Mittelstufe bzw. für den Bereich 7./8. Klasse und dann nochmal für die späteren Jahrgänge, gewissermaßen kurz bevor sie von der Schule abgehen. Insbesondere kurz vor Schulabgang oder in der gymnasialen Oberstufe geht es natürlich auch um Themen, wie den ersten Haushalt, oder „Was bedeutet meine Gehaltsabrechnung?“ Was bedeutet brutto und netto bei Mietverträgen und bei Gehältern? Auch da geht es darum, ein Urteilsvermögen zu wecken. Wenn man hört: 3000 Euro Monatseinkommen und 1000 Euro Miete, dann klingt das ja locker machbar. Aber wenn man dann den Leuten erklärt, was von dem Gehalt abgeht und was bei auf eine 1000 Euro Kaltmiete draufkommt, dann sieht das Ganze schon anders aus.
Zusätzlich versuche ich gerade Veröffentlichungen in Lehrer- und Elternmedien zu finden, um damit Bekanntheit für das Thema im Unterricht zu bekommen und über den Unterricht gehe ich eben davon aus, dass auch Buch und Blog bekannter werden. Ich sehe das Thema zwar auch hochgradig im Eltern- und Familienkreis, allerdings ist es ja so, dass nicht alle Eltern das selber vermitteln können, weil das Wissen gar nicht so breit gestreut ist. Ich möchte übrigens auch nicht die erreichen, die schon Planspiele oder ähnliche Dinge gespielt haben. Also der Querschnitt geht sehr stark über die Schulen, sicher auch über die sozialen Medien.
Was war denn für Sie die größte Herausforderung bei der Gründung?
Ich bin ja vorher schon in einer Art Selbstständigkeit gewesen, war als freiberuflicher Berater unterwegs. Das läuft bei mir so, dass ich für eine bestimmte Zeit ein Projekt habe und dann auch mal wieder keins. In den Pausen habe ich natürlich Gelegenheit, mich quasi Vollzeit um neue Herausforderungen zu kümmern. Und aus der Frage, wie ich mit diesem zeitlichen Zwischenräumen umgehe, ob das vielleicht sogar mal mein bisheriges Geschäftsmodell der freiberuflichen Selbstständigkeit vollständig ablösen kann, kamen die Überlegungen mit dem Finanzthema. Und da mich diese Fragestellung der persönlichen Finanzen schon seit Längerem interessiert, habe ich gedacht: Fein, dann bringe ich das auf diese Weise zusammen. Eine konkrete Schwierigkeit war für mich erst einmal, aus diesem abstrakten Gedanken „Persönliche Finanzen“ und dem Wunsch, ein Buch schreiben zu wollen, ein Geschäftsmodell zu entwickeln. Ich dachte dann: Ok, ich gebe mir jetzt die Mission, das breiter zu formulieren, finanzielle Kompetenz über verschiedenen untereinander unterstützende Medien zu verbreiten und das eben irgendwann in einer Gründung umzusetzen. Im Moment existiert noch keine Firma zu dem Thema, dazu fehlt bislang noch die Notwendigkeit, aber von dieser singulären Idee ‚Buch‘ und einer Zielgruppe hin zu einem breiteren Konzept zu finden, das war für mich eine Herausforderung, bei der mir auch die .garage sehr geholfen hat.
Vielen Dank für das Gespräch. Das Buch kann unter diesem Link bestellt werden: „Captain Kohle legt los“
Der Gründer Martin Günther: