Gründerstory am Freitag – Anne Büttner

In diesem Jahr greifen eine leibgewonnene Gewohnheit wieder auf und beleben unsere Rubrik „Gründerstory am Freitag“. In losen Abständen stellen wir unter diesem Label Gründer*innen vor, die den Schritt in die Selbstständigkeit gegangen sind. Heute ist Anne Büttner an der Reihe, für die wir gar keinen Text schreiben mussten, weil sie das selbst kann. Sie ist nämlich Texterin und bietet Unternehmen, Selbstständigen und Interessierten Dienstleistungen rund um treffende Formulieren an. Mit den nächsten Zeilen übergeben wir ihr das Wort und freuen uns, dass wir Teil ihrer Geschichte sein durften:

Der Sprung ins Ungewisse

Die meisten von uns standen irgendwann in ihrem Leben das erste Mal auf dem Sprungturm im Freibad. Zitternde Knie, flauer Magen, pochendes Herz und der beängstigende Blick in die Tiefe. Ich war 13 als ich mich das erste Mal getraut habe zu springen. Für mich eine unglaubliche Mutprobe. 20 Jahre später hab ich es noch mal getan. Dieses Mal in Nepal aus einer Höhe von über 1.500 Metern. Ein Sprung ins Ungewisse, der mich einiges übers Leben gelehrt hat. 

Ich war schon gute 3 Wochen in Pokhara, der zweitgrößten Stadt Nepals. Für unzählige  Trekker ist sie das Tor zum Annapurna Gebirge des Himalaya, das an klaren Tagen eindrucksvoll über der Stadt thront. Die Reise nach Nepal war die Erfüllung eines lang gehegten Traums. Mein erster großer Solotrip Tausende Kilometer von zu Hause entfernt. Ich bin kein impulsiver Mensch. Ich plane, ich zweifle, ich verwerfe und beginne von vorn. Bevor ich große Entscheidung treffe, vergeht viel Zeit. Es muss sicher sein, durchdacht sein und sich gut anfühlen. Doch an diesem Nachmittag Ende Februar war das anders. Ich saß in einem Café am See und ließ den Blick über das Wasser schweifen. Meine großen Abenteuer lagen bereits hinter mir: das 12-tägige Schweigekloster und eine Woche Trekking durch die Berge. Mein Blick wanderte zum Himmel, dieser war übersät mit kleinen bunten Punkten – Paraglider. Unglaublich viele Paraglider flogen in waghalsigen Drehungen über den See. Keine halbe Stunde später stehe ich vor dem Mitarbeiter einer Paraglidingschule und schiebe ihm die Anzahlung für einen Flug über den Tresen. 

Mein Pilot Buddhi und ich fuhren am nächsten Morgen nach Sarangkot, einem kleinen Dorf auf 1.500 Metern Höhe über der Stadt. Meine einzige Sorge zu diesem Zeitpunkt bestand darin, ob das Wetter halten wird und wir überhaupt starten können. Das Flattern im Bauch kam erst, als wir auf der Startrampe standen. Dann ging alles ganz schnell. Buddhi schob mir das Gurtzeug über die Schultern und gab mir Anweisungen, wie ich mich beim Start verhalten solle. Wir liefen den Abhang hinunter, hoben ab und begannen zu schweben. Hinter uns ragte der Himalaya aus den Wolken und unter uns schimmerte der See in der Sonne. Ein unbeschreibliches Gefühl, ich hab das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommen. Von Angst keine Spur. Nur wenige Minuten später wurde mir übel. Buddhi verzichtete dankenswerterweise auf die Loopings und lenkte mich ab, indem er mir jede Menge über die Gegend und seine Leidenschaft zum Fliegen erzählte. Nach 20 Minuten Schwerelosigkeit landeten wir sicher auf einer kleinen Grünfläche direkt am See. Der Boden unter mir wankte, meine Knie waren weich und mein Magen verdreht. Aber ich war glücklich. 

Dieser Flug beschreibt nur einen kurzen Moment meines Lebens. Aber für mich waren es 20 Minuten, in denen ich es geschafft habe, mich selbst zu überraschen. 20 Minuten, die mir gezeigt haben, wozu ich fähig bin. Dabei waren die Höhe und die Angst vorm Fliegen nicht einmal die größten Herausforderungen. Rückblickend bestand für mich die eigentliche Mutprobe darin, es einfach zu machen. Nicht lange darüber nachzudenken, den Zweifeln und Abers keinen Raum zu geben. Sondern das Was-wenn-es-gut-wird“ zuzulassen.  

Auch der Sprung in meine Selbstständigkeit fühlte sich so an – verheißungsvoll, aber beängstigend. Zwar habe ich vorab ein wenig länger darüber nachgedacht, doch die Herausforderung war die gleiche: Die Zweifel beiseite schieben und loslassen. Vor allem war ich dankbar, dass ich diesen Flug nicht alleine meistern musste. Buddhi hat mir nicht nur Sicherheit vermittelt, er wusste genau, was zu tun ist, um mir während des Flugs ein gutes Gefühl zu geben. Auch im Zuge meiner Gründung war es für mich enorm hilfreich, von erfahrenen, offenen und engagierten Menschen umgeben zu sein. Und das würde ich auch allen Gründer*innen als Rat mit auf dem Weg geben: Holt euch einen Co-Piloten oder eine Co-Pilotin, der*die genau weiß, wo es lang geht und euch mit seiner*ihrer Erfahrung beim Sprung in die Selbstständigkeit unterstützt. Denn so fühlt sich die Schwerelosigkeit gleich noch viel besser an. 

Anne Büttner
http://www.anne-buettner.com/